Triggerwarnung: im folgenden Text wird das Wort V*rg*w*lt*g*ng ausgeschrieben
Es ist nun über 6 Monate her, dass ich bei der Polizei meine Anzeige gemacht habe. Seit dem warte ich. Ich bin geübt, aber nicht besonders gut im Warten und ich merke, wie dieses scheinbare EsGeschiehtNichts an mir nagt.
Ich werde zunehmend gereizter, habe immer häufiger schlechte Laune und träume ständig, dass die Polizei wegen schlechten Wetters, Rummel, der Finanzkrise oder meiner Unvernunft die falschen Socken zu tragen das Verfahren einstellt. Aber stattdessen passiert nichts. Kein Schreiben, dass die Ermittlungen eingestellt werden, kein Brief, dass es zum Verfahren kommt, nicht mal eine Gegenanzeige wegen Verleumdung, auf die ich bei der Beratungsstelle und der Polizei vorbereitet wurde. Sondern einfach nichts.
Und dieses Nichts schleicht sich immer häufiger in meinen Alltag und in meine Nacht. Es verunsichert mich und sorgt für eine latente, aber wahrnehmbare Anspannung. Es sorgt dafür, dass das erste, was ich nach meinem Umzug mache, eine Mail mit meiner neuen Adresse ist, die ich an die Beamtin, die meinen Fall bearbeitet, schicke. Es sorgt dafür, dass mich die Vorstellung länger wegzufahren inzwischen nervös macht. Ich hatte nicht erwartet, dass die Wartezeit so zermürbend ist. Oder überhaupt etwas mit mir macht. Es passiert ja schließlich nichts und ich bin ja auch darauf vorbereitet worden, dass es die meisten Anzeigen wegen Vergewaltigung nicht mal bis zum Verfahren schaffen. Ich frage mich immer wieder ob das 6monatige Nichts ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Mich irritiert der Umstand, dass es bisher keine Gegenanzeige wegen Verleumdung gab weit mehr, als eine Anzeige es getan hätte. Oder kommt die noch?
Ich google mich wahnsinnig auf der Suche nach Anhaltspunkten ob sie mich oder meinen Fall wohlmöglich vergessen haben. Haben sie wahrscheinlich nicht. Das Internet sagt 1 bis 2 Jahre Wartezeit sind „normal“.
Das wurde mir aber weder von der Beratungsstelle, noch von der Polizei gesagt. „Sie hören jetzt erstmal eine Weile nichts“ war die Formulierung der Beamtin. Bei „Weile“ hatte ich nicht an Jahre gedacht, sondern an Wochen, durchaus Monate, aber nicht Jahre. Eine klare Aussage, mit einer realistischen Prognose hätte mir vielleicht an ganzes Stück Unruhe erspart. Wenn ich mir so etwas wünsche, ist mir klar, dass feste allgemeine Aussagen schwierig sind, aber diese Orientierungslosigkeit, in einer ohnehin schon wahnsinnig verunsichernden Situation, ist ein zusätzlicher Stressfaktor, macht ein Abschalten manchmal unmöglich und denkt meine Situation nicht mit.
1 bis 2 Jahre Wartezeit, ohne Rückmeldung, Zwischenstand oder wenigstens der Info von „offizieller“ Seite, dass es durchaus so lang oder länger dauern kann, sind eine Zumutung für Betroffene. 1 bis 2 Jahre, die ,bei aktueller Rechtsprechung ,wahrscheinlich sowieso vertane Wartezeit sind. 1 bis 2 Jahre , nach denen ¾ der ERMITTLUNGEN ohnehin eingestellt werden. 1 bis 2 Jahre, nach denen, sollte es tatsächlich eine Verhandlung geben, es gerade mal bei 1/7 zu einer Verurteilung kommt. 1 bis 2 Jahre für ein System, dass Betroffene belastet, statt sie zu schützen. 1 bis 2 Jahre in denen das bewusste oder unbewusste Warten meine Substanz angreift, meine Energie beansprucht, statt Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Dass nach so einem Schritt, der von Sanktionen und Diffamierungen geprägt ist, erstmal ein Moment der Ruhe kommt, ist durchaus heilsam. Diese langatmige Totenstille, die dann folgt, ist allerdings kaum auszuhalten. Es fühlt sich an wie ein Fiepen, dass sukzessiv die Nerven angreift. Meine Reizschwelle singt und meine Ungeduld ist eigentlicher eher eine Mischung aus Wut, Verunsicherung, Ohnmacht und dem Wunsch nach einem Abschluss. Aber ein Abschließen ist schwierig, wenn Du in der bürokratischen Warteschleife stehst.
Ein Gedanke zu „Bitte haben Sie einen Moment Geduld…“