Oft träum ich nachts von mir
mit Davidstern
oft ist es gut
das kleine Gold um meinen Hals
das Geschenk einer Mutter an ihre Tochter
Oft träum ich nachts von mir
mit Davidstern
meist ist es schlecht
das große Gelb vor meiner Brust
ist keine andere, ist unsere Geschichte
Oft träum ich nachts von mir
mit Davidstern
dann ist es gut
ich wache auf und weiß
das kleine Gold liegt in dem Kästchen neben mir
Oft träum ich nachts von mir
mit Davidstern
dann ist es schlecht
ich aufwache und weiß
ich werde mich nicht trauen ihn zutragen
Oft träum ich nachts von mir
ohne Davidstern
oft ist das gut
weil ich mein
ich bin hier sicher
Oft träum ich nachts von mir
ohne Davidstern
meist ist das Wut
weil ich weiß
ich bleibe unsichtbar
Oft träum ich nachts von ihnen
mit Davidstern
ich weine bitterlich
weil ich weiß, ich werde
Schüsse hören und Uniformen sehen
Oft träum ich nachts von ihr
mit Davidstern
dann spür ich Glück
weil ich weiß, ich habe
den selben, weil sie mich liebte
Oft träume ich
den Davidstern
Oft, nicht immer, ist es einfach zu sagen „Ich bin Jüdin“. Oft sind die Reaktionen zwar irritiert, warum ich das sage. Warum das überhaupt hier her gehört. Was das soll. Oft sind die Reaktionen zwar anstrengend und nervig, weil ich den Glanz in den Augen sehen kann: Erzähl mir von dem Schrecken, von dem Leid. Wie viele sind bei Dir gestorben – Linker Schicksalsvoyeurismus. Oft bedeutet es Expertin für Deutsche Geschichte und Nah-Ost zu sein. Sie wollen jüdische Avantgarde-Kinder von mir. Aber das schrieb ich ja alles bereits.
Viel schwieriger ist es Jüdin zu SEIN. Als Kind war es für mich selbstverständlich eine kleine Kette um den Hals zu tragen, mit einem Davidstern. Meine Mutter trug immer einen und ich spielte damit. Ich wollte auch einen haben. Ich war etwa drei oder vier, da nahm sie mich mit in einen Laden. Ich wollte den gleichen wie sie. Ich durfte mir die Farbe aussuchen. Gold oder Silber. Ich wollte Silber. Ich trug ihn jeden Tag und wurde älter. Ich wollte einen Goldenen. Silber gefiel mir nicht mehr. Ich bekam einen Goldenen. Den selben wie meine Mutter. Das wollte ich so. Als Kind wusste ich, dass die Hand über meinem Bett ein Zeichen der Liebe meiner Großtante war. Ich lernte im Dezember, dass eine Hand neben dem Bett auch die Liebe und Aufmerksamkeit einer Freundin sein kann.
Ich wusste als Kind von links nach rechts schreiben ist nicht richtig, es ist deutsch. Ich konnte in beide Richtungen schreiben. Mehr als einer Sprache. Ich habe mich damit abgefunden nichts mehr zu sagen, wenn ich frage wo rechts ist und Leute sagen, die Richtung in die man schreibt. Sie wissen es nicht besser.
Ich habe Alpträume. Von vielen Sachen. Aber ich traue mich nicht zu sagen, wenn es jüdische sind. Ich fühle mich albern. Meine einstige Beziehung merkte ich habe Alpträume. Sie fragte wovon. Ich sagte nichts. Ich wusste sie denkt das falsche. Ich habe sie gelassen. Ich wusste es nicht besser.
Als Kind wusste ich, was Jüdischsein bedeutet und ich mochte die schönen Dinge daran. Heute bin ich müde, dass Menschen glauben es bedeutet Glauben. Ich glaube, aber das ist nicht das jüdische an mir. Leute wollen nichts mit Religion zu tun haben. Das ist ihr Glaube, der Glaube, dass sie es nicht täten. Manchmal lasse ich sie. Sie wissen es nicht besser.
Ich lese, Judentum ist Wissen und ich weiß, sie haben recht. Ich höre, ich halte mich für etwas besseres, weil ich an dem festhalte, was ich habe. Ich lasse sie in dem Glauben. Sie wissen es nicht besser.
Als Kind war ich umgeben von Judentum und ich lebte darin. Heute sehe ich. Nichts. Ich sehe die Gemeinden. Sie scheinen für mich ewig weit entfernt. Ich unterhalte mich mit Menschen und weiß, sie hören meine Gedanken,manche glauben mir, aber es sind nicht ihre. Ich weiß was mich bewegt, bewegt auch andere, aber ich sehe sie nicht. Bis auf eine vielleicht. Aber ich weiß nicht, ob sie es weiß.
Ich lese Sachen und erkenne meinen Schmerz. Aber ich weiß nicht, ob ich das darf – eine andere Generation. Die 2. Manchmal, eher selten die 3. Ich bin 3. eher 4. Ich habe Angst zu sagen, was in mir passiert. Was ich fühle. Was ich weiß. Sie könnten die Augen verdrehen und sagen: über 70 Jahre. Das bildest Du Dir ein. Was weißt Du schon? Was macht das schon mit Dir? Das Fernsehen ist Schuld. So viele Generationen zwischen Dir und den Verwandten, DER Geschichte. Das weiß ich auch. Das sagte ich mir auch. Ich wusste es nicht besser.
Ich trage meinen Davidstern nicht mehr. Ich traue mich nicht. Ich weiß, dass es richtig ist von links nach rechts zu schreiben. In einer Sprache. Die andere kann ich nicht mehr. Ich sage ich bin Jüdin und ich war immer eine, aber ich habe mich lange nicht mehr getraut eine zu SEIN. Ich wusste es nicht besser.